Marinas Geburtsbericht

aufgeschrieben am 15.03.2021, 20 Monate danach

Für mich stand schon lange vor der Schwangerschaft fest, dass ich mein Kind zu Hause gebären möchte. So war ich dann auch sehr glücklich gleich zu Beginn eine tolle Hebamme gefunden zu haben, die auf die Vorsorge und die erste Zeit im Wochenbett übernahm. Und zählte mit Bangen die Wochen und Tage bis zu dem magischen Zeitpunkt, wo das Kind endlich zu Hause kommen durfte.

Ich rechnete eine Woche vor Termin noch nicht mit einem Beginn der Geburt war noch sehr fit hatte an diesem heißen Julitag 2019 viel vor. Es hatte über 36 Grad und ich spürte vormittags ein seltsames Ziehen, wie ganz leichte Krämpfe im Bauchraum, wodurch ich etwas hellhörig wurde und was auch mittags nochmal auftauchte. So kam ich sehr müde und etwas übernommen um 22 Uhr nach Hause, schnell unter die Dusche und aufs Sofa fallen lassen – kurze Zeit später machte es auf einmal hör- und spürbar PLOPP! Meine Frau und ich sahen uns verdutzt an, ich richtete mich auf und da lief es auch schon zwischen meinen Beinen durch. Ich stürzte ins Bad und es lief über lange Zeit viel Fruchtwasser. Wenige Minuten später kam schon die erste Welle, nicht wenig stark und ich saß im Bad, fühlte mich müde, schlapp und k.o. und sehr überrumpelt. So überstürzt hatte ich mir den Geburtsbeginn nicht vorgestellt. Laura, meine Frau und beste Geburtsbegleiterin aller Zeiten richtete die Wohnung her, ich gab ihr in den Wehenpausen Anweisungen und veratmete die Wellen auf dem Badezimmerboden. Wir gaben Claudia Bescheid und die Zeit flog davon. Ich spürte die Wellen von Beginn an sehr stark, hart und ungedämpft, sie kamen regelmäßig und flott. Ich wechselte zwischen Bad und Sofa im Wohnzimmer und versuchte auf Anraten meiner Hebamme mich dazwischen so gut es ging zu erholen. Ich glaube, es gelang mir auch einmal für wenige Minuten wegzudämmern.

Ich war geschockt, als die Sonne aufging, es kam mir vor wie ein oder zwei Stunden, nie hatte ich das Gespür für Zeit so verloren. Um 4:00 Uhr wurden die Wellen stärker und wir riefen Claudia an, die vorbeikam aber gleich wieder ging, da sie meinte, sie könne noch nicht helfen.

Um 9:00 Uhr riefen wir sie wieder, da die Wellen noch stärker und schneller kamen. Um 10 Uhr kam sie (wegen Berufsverkehrsstau) und ich war zu dem Zeitpunkt schon an einem verzweifelten Punkt angelangt. Ich war sehr erschöpft und gestresst von der Anstrengung.
Jetzt folgten harte, zähe Stunden, in denen ich so vor mich hinwehte, mit Claudia verschiedene Positionen ausprobierte, von denen ich eigentlich nur den Vierfüßler als angenehm empfand und sie ab und zu die Herztöne untersuchte, die zum Glück immer gut waren.

Doch dann kam die einzige Situation, wo die Stimmung etwas kippelig war. Claudia wurde langsam nervös: es war wahnsinnig heiß, sie wusste nicht, wie weit der Geburtsvorgang fortgeschritten war (die vaginale Untersuchung musste ich abbrechen), die Fruchtblase war schon vor über 12 Stunden geplatzt und ich war sehr erschöpft. Sie schlug vor, mich verlegen zu lassen, damit ich eine PDA bekommen könnte. Für mich, obwohl ich unter den Schmerzen litt und mich am Ende meiner Kräfte wähnte, überhaupt keine Option. Undenkbar, in diesem Zustand meine Wohnung zu verlassen, ich wusste, ich werde das jetzt zu Ende bringen, obwohl ich nicht wusste, was bis dahin noch fehlte. Ich spürte die Irritation, die in der Luft lag und wurde wütend und kurz panisch, dass ich und mein Baby gestört worden waren. Zum Glück hielt Laura eng zu mir, unterstützte und beruhigte mich und übernahm das Ruder. Ich wollte in die Badewanne. Vorher hatte Claudia noch davon abgeraten wegen der Infektionsgefahr, jetzt sagte sie nichts mehr. In der Wanne fror ich schrecklich und die Schmerzen wurden fast unerträglich. Ich schien zu zerreißen und zerdrückte Lauras Hand. So ging das nicht, ich kniete mich auf und verlangte vorne etwas zum Aufstützen. Zu meiner Verwunderung brachte Laura sofort ein Brett mit einem Kissen was wunderbar meine Vorstellungen traf und ich ließ mir heißes Wasser den Rücken runterbrausen, was sehr gut tat. Es ging Schleim und Blut ab und da war auch Claudia wieder dabei. Später erzählte sie, dass sie ab dort wusste, dass es gut werden würde.

Es war um die Mittagszeit und ich verspürte auf einmal einen Drang zum Pressen. Die ersten beiden Male versuchte ich dem Drang zu widerstehen, dann schob ich mit, aber es passierte nichts. Ich sollte wieder aus der Wanne raus. Auf dem Weg zum Sofa kamen mehrere sehr starke und wilde Presswehen, ich fühlte mich überrollt, überfordert und hatte manchmal Angst ob dieser Naturgewalt. Jetzt begann die anstrengendste Phase, aber so nach und nach wusste ich was ich zu tun hatte und es fühlte sich wieder sinniger an, nach Arbeit. Auch Laura und Claudia hatten alle Hände voll zu tun mit massieren, mir Trinken einflößen usw., sodass eine gute energievolle Stimmung entstand. Nach eineinhalb Stunden Presswehen, die ich meistens auf dem Sofa kniend, aufgestützt auf ein Regal verbrüllte kam Claudias Kollegin Kathi dazu, die mich ebenso liebevoll ermutigte.

Nach einer weiteren Stunde, ich glaubte nicht mehr daran, dass da jemals ein Kind rauskommen sollte, waren die Haare zu sehen und das Köpfchen ging immer raus und rein. An den Moment, wo der Kopf den Damm am weitesten dehnte, erinnere ich mich noch gut, wenn auch alles wie mit einer dicken Nebelschicht überlagert ist – es spannte und brannte und die Welt stand still, ich hatte das Gefühl zu zerspringen und sehnte die nächste Welle herbei, die mehrere Minuten auf sich warten ließ. Endlich kam sie und mit ihr der Kopf. Bei der nächsten flutschte der Körper raus, ich spürte alles ganz genau, die Schultern, die Beine, die Nabelschnur. Stille. Ich war erledigt, es war halb 6 Uhr abends. Ich habe nur bruchstückhafte Erinnerungen an die Zeit unmittelbar nach der Geburt. Nilo schrie und schrie und suchte und fand die Brust, konnte aber vor lauter Schreien nicht trinken.

Die Nachgeburt kam schnell und einfach, ich hatte keine Geburtsverletzungen. Ich lag da, mit meinem Baby auf dem Bauch und war einfach nur erleichtert, leer und ein bisschen glücklich und unendlich müde. Bald half Kathy mir auf die Toilette, ich konnte ganz gut laufen, hatte kaum Blut verloren aber wusste nun was der Beckenboden für eine Funktion hatte…

Es folgten magische Stunden mit kuscheln, schlafen und leisen Gesprächen im Bett zu dritt. Auch wenn ich mir einen langsameren und milderen Geburtsbeginn und Umstände gewünscht hätte, bin ich sehr dankbar für diese besondere Erfahrung. Ich habe es sehr genossen, bei mir zuhause bleiben zu dürfen und habe großen Respekt vor der Arbeit unserer tollen Hausgeburtshebamme. Ich würde immer wieder eine Hausgeburt machen! 

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